Corinne Wasmuht: »Meine Bilder beruhen alle auf dem Prinzip der Collage«
Corinne Wasmuht: »Meine Bilder beruhen alle auf dem Prinzip der Collage«

Corinne Wasmuht: »Meine Bilder beruhen alle auf dem Prinzip der Collage«

Corinne Wasmuht, 1964 in Dortmund geboren, ist die diesjährige Trägerin des seit 1993 vergebenen Käthe-Kollwitz-Preises. Die mit 12.000 Euro dotierte Auszeichnung ist mit einer Ausstellung in der Akademie der Künste am Hanseatenweg 10 verbunden. Dort zeigt die in Berlin lebende Malerin gegenwärtig 20 großformatige Ölgemälde auf Holz, die sie zwischen 1991 und 2013 geschaffen hat. Corinne Wasmuht, die den Computer als Werkzeugkasten und Skizzenbuch benutzt, arbeitet an manchen ihrer vielschichtigen, figürlich-abstrakten und meist farbenfrohen Tableaus bis zu einem Jahr.

Interview: Urszula Usakowska-Wolff

Urszula Usakowska-Wolff: Ihre Bilder hängen in privaten und öffentlichen Sammlungen, zum Beispiel im Bundeskanzleramt, Sie werden mit wichtigen Auszeichnungen bedacht, ernten fast ausschließlich positive Kritik und werden unisono als eine der wichtigsten deutschen Malerinnen der Gegenwart bezeichnet. Welchen Einfluss hat diese Popularität auf Ihre Arbeit? Macht der Ruhm Ihnen zu schaffen oder nehmen Sie ihn eher gelassen hin?

Corinne Wasmuth: Da ich die meiste Zeit im Atelier verbringe und am Arbeiten bin, bekomme ich vom ganzen Rummel nicht viel mit. Das ist gut so!

Zu Beginn Ihrer Karriere, vor etwa 20 Jahren, stießen Ihre Bilder noch auf heftige Ablehnung, heute werden Sie und Ihre Malerei gefeiert. War die Zeit noch nicht reif für die angemessene Würdigung Ihrer Kunst?

Heute werden meine Bilder in einem anderen Kontext gesehen und der Malereidiskurs hat sich geändert. Die Rezeption von Bildern, beziehungsweise von Kunst generell, ändert sich ständig.

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Ihre Gemälde entstehen in einem langen, komplizierten und aufwendigen Prozess. Als Vorlagen benutzen Sie eine Art digitale Ready-mades, die Sie im Internet finden oder die Sie selbst fotografieren, archivieren, mit dem Photoshop bearbeiten, dekonstruieren und zu neuen Kompositionen zusammenfügen. Diese übertragen Sie dann mit Pinseln und Ölfarben auf zum Teil riesige Holzträger. Was reizt Sie an dieser digital-analogen Arbeitsweise?

Meine Bilder beruhen alle auf dem Prinzip der Collage. Früher arbeitete ich analog mit Zeichnungen und Aquarellen, dann mit Fotokopien, Schere und Kleber, und heute digital. Das spart jede Menge Zeit! Das unterscheidet sich nicht so sehr vom Schreiben. Wir führen das Interview ja auch nicht mit handgeschriebenen Briefen, sondern via E-Mail. Und: Beim Texte schreiben werden digitale Medien nicht in Frage gestellt.

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Ihre Bilder sind in den letzten zehn Jahren immer größer geworden, eines der letzten Tableaus, in der Akademie der Künste im Tiergarten zu sehen, und zwar »Pehoé Towers«, 2013, hat die Maße 197 x 715 cm. Es ist sicher nicht einfach, solche riesige Panoramen auf massige Holztafeln zu malen. Wie gehen Sie vor? Projizieren Sie Ihre PC-Entwürfe, Ihre digitalen Skizzen auf das Holz und malen Sie sie dann ab? Oder haben Sie das zu malende Bild fertig im Kopf? Ist der Malprozess spontan oder intendiert?

Beides. Ich übertrage die Skizzen hauptsächlich mittels eines Rasters auf die Holztafeln, frei Hand und mittels einer Projektion. Während des nachfolgenden Malprozesses werfe ich aber vieles über den Haufen. Die Bilder sind im Kopf, die Skizzen dienen als Eselsbrücke. Wenn die Skizzen dem Bild in meinem Kopf oder dem inneren Auge entsprächen, würde ich es auch bei den Skizzen belassen, dann wäre das Malen ja nicht mehr nötig!

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Sie malen urbane Landschaften, lichtdurchflutet und pulsierend, die ständig in Bewegung zu sein scheinen. Andererseits zeigen Sie eine Welt, die sich durch nichts mehr unterscheidet, die in ihrer Eintönigkeit erstarrt und überall gleich aussieht, die am Überfluss von grellen Farben zu ersticken droht. Die Menschen lösen sich darin auf. Etwa deshalb, weil sie die Reizüberflutung nicht mehr ertragen können?

Für mich ist das keine Reizüberflutung mehr, denn sie gehört zu meinem Alltag. Jemand, der in der Natur lebt, sieht möglicherweise tausende unterschiedliche Grüntöne, während der ungeschulte Blick nur ein einziges Grün wahrnimmt. Es ist also Wahrnehmungssache.

Was auffällt, ist die fast schon unheimliche Transparenz und Flüchtigkeit Ihrer doch sehr stark präsenten Gemälde. Mit welchen Mitteln gelingt es Ihnen, diese sich ausschließenden Effekte zu erzielen? Haben Sie eine besondere Maltechnik?

Eigentlich nicht.

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Spielt die Tatsache, dass Sie lange Zeit in Argentinien und Peru gelebt hatten in ihrer Malerei eine Rolle? Welchen Einfluss hat die lateinamerikanische Literatur, etwa der »Magische Realismus« auf Sie? Ist es ein Zufall, dass zwei Ihrer Bilder den Titel »Uqbar« tragen?

»Tlön, Uqbar, Orbis Tertius« lautet der Titel einer Erzählung des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges. Die südamerikanische Literatur hat mich sicherlich beeinflusst, aber eine Illustration literarischer Gedankenwelten liegt mir jedenfalls fern. Genauso kann ich behaupten, dass mich die Kunstakademie Düsseldorf in den 1980er Jahren oder das Berlin der Nullerjahre beeinflusst hat. Das in meiner Erinnerung gespeicherte intensive Licht in Peru, der Himmel über Buenos Aires, spielen in meiner Malerei sehr wahrscheinlich eine Rolle.

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Sie sammeln visuelle Motive und Themen, die Sie in Ordner speichern und dann für Ihre Gemälde benutzen. Wonach suchen Sie bei Ihren Bildrecherchen? Können Sie alles, was Sie gesammelt haben, für Ihre Kunst verwenden?

Ja. Es wird sozusagen alles gesammelt und es fließt auch alles in meine Arbeit ein.

Collage ist, unabhängig davon, ob sie in einem manuellen oder digitalen Verfahren entsteht, ihre genuine Ausdrucksform. Warum?

Ich bin hauptsächlich an Bildern interessierst; die uns im Alltag umgeben, wie sie auf mich wirken, wie sie meinen Blick verändern. Nicht nur meine eigenen, privaten Schnappschüsse, sondern auch fremde oder öffentliche Abbildungen, welche in den Medien wie Werbung, Nachrichtensendungen, Dokumentationen, Lehrbücher, fiktive Phantasie- und Hollywoodwelten erscheinen, sammle und katalogisiere ich. Alles erscheint gleich real. Ich untersuche, was diese Bilder mit mir anstellen. Ich glaube nicht an eine Authentizität des malerischen Ausdrucks im Sinne eines klassischen Malereidiskurses, der von Virtuosität und Pinselstrichgrandezza beherrscht wird.

Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Corinne Wasmuht, Käthe-Kollwitz-Preis 2014. Ausstellung in der AdK, 2014. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Sie sind nicht nur eine erfolgreiche Malerin, sondern seit 2006 auch Professorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe. Sie wohnen in Berlin, pendeln zwischen den beiden doch recht voneinander entfernten Städten, stellen regelmäßig aus. Woher nehmen Sie die Energie, das alles zu bewältigen?

Ich habe fast keine Freizeit und keinen Feierabend… Nur so ist das zu bewältigen.

Der Kunstmarkt liebt ihre Tableaus, Sammler reißen sich um sie. Es gibt andere erfolgreiche Künstler, deren Bilder verkauft werden, lange bevor sie gemalt wurden. Gehören Sie auch dazu?

Das müssen Sie besser meine Galeristen fragen.

Corinne, vielen Dank für das Gespräch.

Interview & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
Erschienen im strassen|feger 15, Juli / August 2014


Käthe-Kollwitz-Preis 2014

Corinne Wasmuht

3. Juli bis zum 10. August 2014

Akademie der Künste
Hanseatenweg 10
10557 Berlin

Dienstag bis Sonntag 11 – 19 Uhr

Eintritt 6 / 4 Euro (Kombiticket gilt auch für die Ausstellung Gisèle Freud: »Fotografische Szenen und Porträts«)

Eintritt frei bis 18 Jahre und am Dienstag 15 – 19 Uhr