Lena Binski macht große Kleinkunst
Lena Binski macht große Kleinkunst

Lena Binski macht große Kleinkunst

In ihrem Monodrama »Die 7 Leben des Fräuleins B.« lässt die Allroundartistin Elena Bolsuna alias Lena Binski die Welt der Stummfilme auf der Bühne auferstehen.

 Von Urszula Usakowska-Wolff

Lena Binski, so der Künstlername der 1970 in Riga geborenen und in Berlin lebenden Elena Bolsuna, hat eine große Gabe: Sie schafft es, ihr Publikum zu verzaubern, ohne dabei ein Wort zu verlieren. Die Mimin mit dem ausdrucksstarken Gesicht, den unglaublich großen Augen und der androgynen Silhouette macht in ihren Solospielen, die an die Slapstickkomödien der Stummfilmzeit anknüpfen, eine gute Figur. In der One-Women-Show »Die 7 Leben des Fräuleins B.« führt Lena Binski vor, dass sie eine überzeugende und überzeugte Allroundartistin ist: Dramaturgin, Schauspielerin, Choreografin, Bühnenbildnerin und Visagistin in einer Person.

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Tragikomisch und (selbst)ironisch

Eine Katze hat bekanntlich sieben Leben: Fräulein B. auch. Die knapp einstündige visuelle Comedy, welche vor kurzem im Theater des alternativen Acud-Kunsthauses in Berlin-Mitte aufgeführt wurde und hoffentlich bald wieder dort zu sehen sein wird, erzählt in sieben Szenen die Geschichte eines Fräuleins, dessen Träume sprichwörtliche Schäume sind. Dieses zarte und vom Schicksal nicht besonders gehätschelte Wesen ist oft nahe daran, sich auf der Reise durch das Diesseits ins Jenseits zu befördern. So beginnt das Stück folgerichtig in völliger Dunkelheit, aus der Fräulein B. plötzlich auftaucht, begleitet vom Rattern eines unsichtbaren Zuges und umgeben von Schwaden einer Dampflokomotive. Fräulein B., eine Frau mittleren Alters, die offensichtlich schon bessere Zeiten erlebt hat, ist eine melancholische, tragikomische und (selbst)ironische Figur. Sie trägt eine schwarze gestrickte Mütze mit einer beigen Stoffblume und ein schönes, aber auch schon in die Jahre gekommenes Abendkleid sowie ein zu diesem Outfit passendes Täschchen. Eine pinkfarbene Federboa legt sich wie eine königliche Krause um des Fräuleins Hals. Es sind Requisiten, die darauf hinweisen, dass Fräulein B. einst eine vornehme und attraktive Dame gewesen sein muss, die in den besten Kreisen verkehrte, verwöhnt, bewundert und begehrt wurde. Vom einstigen Glanz ist wenig übrig geblieben: ein Vogelkäfig und ein Koffer als treue Begleiter der Fahrt zu den unerreichbar gewordenen Zielen wie Liebe und Glück. Immer wieder erträumt, erhofft und angestrebt im Leben, doch nicht jedem Menschen auf Dauer gegeben.

Mit Koffer, Charme und Humor

 Weil das Fräulein stets den Eindruck hat, das Leben ließe sie im Stich, will sie ihm ein Ende bereiten. Doch glücklicherweise kommt siebenmal etwas dazwischen, denn hier spielt die Musik, in der schöne Töne von Nino Rota aus Frederico Fellinis Film »8½« und der Polonaise »Abschied von der Heimat« von Michał Kleofas Ogiński mitklingen. Scheitern und hoffen, dass man das Scheitern irgendwann überwinden kann, sind das Leitmotiv dieses nonverbalen Monodramas. Dass Tragik und Komik unsere Existenz gleichermaßen prägen, zeigt Lena Binski, die eine große Leidenschaft für Clownerie hegt, denkbar einfach und mit viel Humor. Ihre Mimik und Gestik sind reduziert, klar und plausibel, genauso wie das Bühnenbild, bestehend aus einem Tisch, einem Stuhl, einem Briefkasten, dem besagten Koffer und Käfig, aus dem der Vogel nicht rausfliegen kann, denn er ist nicht echt. Dafür fallen plötzlich hunderte Seifenblasen von der Decke und bilden eine schimmernde Wand, die sich im nächsten Augenblick in der Luft auflöst. Ja, das ist ein schlüssiges Bild für das Glück: Es dauert zwar nur eine Weile, doch es lohnt sich, nach seinem vergänglichen Zauber zu streben und für diese eine Weile zu leben.

Lena Binski: Die 7 Leben des Fräuleins B. Foto © Lena Binski
Lena Binski: Die 7 Leben des Fräuleins B. Foto © Lena Binski

Eine Welt ganz ohne Worte

Lena Binski, die in Riga Malerei und Theaterschauspiel studierte, mit 24 Jahren ihre Heimat verließ, dann in Jerusalem und Berlin zur Pantomimin und Clownin ausgebildet wurde, leistet Großes in dem als Kleinkunst bezeichneten Genre: Sie lässt in ihrer hinreißenden und virtuos interpretierten visuellen Comedy die Welt der Stummfilme auferstehen. Eine Welt, in der allein durch Gestik, Mimik, Körperhaltung und Bewegung ausgedrückt wurde, wie schön und hässlich, bunt und grau, lustig und traurig, erhaben und gewöhnlich, hoffnungsvoll und hoffnungslos das Leben doch ist. Das alles sagt Fräulein B. ganz ohne Worte. Und jede(r) versteht, worum es geht.

Text © Urszula Usakowska-Wolff

Fotos © Lena Binski

Erschienen im strassen|feger 6/2015


Elena Bolsuna gibt jeden Dienstag von 20 bis 22 Uhr Clownerie-Kurse für Profis und Laien im
Acud-Theater
Veteranenstraße 21
10119 Berlin

www.lena-binski.de >>>

www.acud.de >>>