Soloschau der Superlative: »Free Update« von Bjørn Melhus im KINDL
Soloschau der Superlative: »Free Update« von Bjørn Melhus im KINDL

Soloschau der Superlative: »Free Update« von Bjørn Melhus im KINDL

In seiner Ausstellung »Free Update« zeigt Bjørn Melhus Arbeiten aus den letzten Jahren, darunter auch seine Neuproduktion »Sugar«, die im KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst zum ersten Mal präsentiert wird.

Bjørn Melhus (* 1966 in Kirchheim/Teck) schöpft aus dem riesigen Fundus der Popkultur. Seine Inspirationsquellen sind US-amerikanische Filme, TV-Serien, Verkaufsshows und YouTube-Videos, was nichts Außergewöhnliches ist, denn das tun andere Künstler und Künstlerinnen ja auch. Die Einzigartigkeit seines Oeuvres beruht darauf, dass er, mit einigen wenigen Ausnahmen, in seinen Filmen die meisten Rollen selbst spielt. Der Ausgangspunkt seiner gleichermaßen unterhaltsamen, verführerischen, schaurig-süßen und stets aktuellen Videoarbeiten sind Audiofragmente, die er bei seinen Recherchen im World Wide Web findet. Die schneidet er auf ein Minimum zusammen und drückt sozusagen den geliehenen Stimmen seinen eigenen Körper auf. Auf diese Weise bringt Bjørn Melhus zum Ausdruck, wie sich das Individuum in Zeiten der medialen Infantilität sprachlich auflöst und zu einer Phrasendreschermaschine mutiert.

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Bjørn Melhus, „Sugar“, 2019, Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Bjørn Melhus, „Sugar“, 2019, Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

In dem 20-minütigen Video und der dazu gehörenden Videoinstallation »Sugar« zeigt Bjørn Melhus eine postapokalyptische Welt, in welcher der Mensch HON (Human Organism Normal) sich in eine abgestumpfte, gefühllose Maschine und die KI-Maschine Sugar in einen empathischen Menschen verwandelt hat. HON haust im fensterlosen Bunker, steckt im blauen Pyjama wie in einer Häftlingsuniform und brabbelt die ganze Zeit mit der Stimme eines Influencers banales Zeug. Er kennt keine Nähe mehr und denkt nicht daran, aus seinem Gefängnis auszubrechen. Die Versuchte des sympathischen Roboters Sugar (der ausnahmsweise nicht von Bjørn Melhus, sondern vom Tänzer Frank Willens gespielt wird) sich mit HON anzufreunden, scheitern, doch er findet im domestizierten Schwamm aus HONs Wohnung doch noch einen Freund.

Bjorn Melhus, "The Theory Of Freedom", 2015, Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Bjorn Melhus, „The Theory Of Freedom“, 2015, Installationsfragment. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Heilsversprechende Ideologien als eine neue Form der Religion, Isolation, Manipulation und Indoktrination sind das Thema der temporeichen Dreikanal-Videoinstallation »The Theory of Freedom «. Der Verwandlungskünstler Bjørn Melhus spricht diesmal mit der der Stimme von Ayn Rand (1905-1982), einer aus Russland stammenden US-Amerikanerin, die in manchen Kreisen als Ikone des Individualismus und des ungezügelten Kapitalismus verehrt wird. Sie verkündete, dass Produktivität, Leistung und Willensdurchsetzung jene Eigenschaften sind, über die ein Mensch verfügen muss, um sein persönliches Glück – und somit das höchste ethische Ziel überhaupt – zu erreichen.

Bjørn Melhus (r.) und Andreas Fiedler, KINDL, 13. September 2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Bjørn Melhus (r.) und Andreas Fiedler, KINDL, 13. September 2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff

Bjørn Melhus
Free Update
bis 16. Februar 2020
KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst
Maschinenhaus 1
Am Sudhaus 3, 12053 Berlin
Mi-So 12-18 Uhr

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