Scheinwelten, reale Welten? – Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie
Scheinwelten, reale Welten? – Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie

Scheinwelten, reale Welten? – Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie

Die Ausstellung „Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie, die in der Alfred Ehrhardt Stiftung präsentiert wird, ist ein beeindruckendes Naturtheater, eine Inszenierung, die zum Nachdenken über die Authentizität des Abgebildeten, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Schein, über die Echtheit und optische Täuschung anregt. Auf den ersten Blick sind es Landschaften, die so majestätisch und real wirken, dass sie wahr sein müssen. Die knapp 65 Werke von Oliver Boberg, Sonja Braas, Julian Charrière, Shirley Wegner, Thomas Wrede sind intendiert irritierend: Sie verunsichern das Publikum durch ihre sonderbaren Größenverhältnisse und Perspektiven. Dass es sich dabei nicht um tatsächliche Naturbilder handelt, deutet der Ausstellungstitel »Modell-Naturen« an. Die an der Gruppenschau Beteiligten beherrschen meisterhaft die Illusion, die sie perfekt inszenieren, indem sie ihre täuschend echten Naturaufnahmen eigenhändig konsturieren, fotografieren, und danach die Modelle destruieren. Ihre Kunst bewegt sich zwischen Skulptur und Fotografie, wobei die ursprünglich dreidimensionalen, als kleine Bühnenbilder gebauten Werke nur auf den großformatigen Fotografien existieren.

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Ausstellungskuratorin Dr. Marie Christine Jádi und Thomas Wrede vor seiner Fotoarbeit "Haus im Gebirge", 2007, C-Print. 
Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Ausstellungskuratorin Dr. Marie Christine Jádi und Thomas Wrede vor seiner Fotoarbeit „Haus im Gebirge“, 2007, C-Print.
Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Thomas Wrede, Islands, 2008 (links), C-Print. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Thomas Wrede, Islands, 2008 (links), C-Print. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Thomas Wrede baut seine Landschaften aus Spielzeugautos und Modellhäusern, die er auf Stränden der Nordseeinseln und Sandgruben so platziert, dass eine Pfütze wie ein See oder wie ein Meer und ein Erdhaufen wie ein Gebirge oder wie eine Felsformation aussieht. Die fotografische Täuschung ist nicht das Ergebnis digitaler Bearbeitung, sondern der in Wirklichkeit nicht vorhandenen Proportionen. Sowohl das Chalet im »Haus im Gebrige« als auch das Segelboot in den »Islands« sind so klein wie eine Streichholzschachtel.

Sonja Braas, The Passage Week 01-52, 2009-2012, C-Prints. . Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Sonja Braas, The Passage Week 01-52, 2009-2012, C-Prints. . Foto © Urszula Usakowska-Wolff

»The Passage Week 01-52« von Sonja Braas aus den Jahren 2009-2012 wirkt auf den ersten Blick wie eine Reportage über ihre angebliche 52-wöchige Reise in eine riesige polare Eiswüste, welche die Künstlerin mit je einem Bild pro Woche dokumentierte. Auch dieser Serie lagen Modell-Naturen zugrunde.

Julian Charrière, aus der Serie "Panorama" (52° 29' 52.20" N 13° 22' 19.48" E; 52° 29' 51.18" N 13° 22' 17.40" E; 52° 29' 50.88" N 13° 22' 19.37" E, alle 2011). Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Julian Charrière, „Panorama“ (52° 29′ 52.20″ N 13° 22′ 19.48″ E; 52° 29′ 51.18″ N 13° 22′ 17.40″ E; 52° 29′ 50.88″ N 13° 22′ 19.37″ E, 2011. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Der Gipfel der Täuschung sind die drei Arbeiten aus der Serie »Panorama« von Julian Charrière. Sie zeigen wolkige Berge, aber wenn man die geografischen Koordinaten in eine Suchmaschine eingibt, landet man am … Gleisdreieck. Dort hat der Künstler 2011 seine beeindruckenden »Panoramen« aus extrahierten Boden konstruiert, die er dann mit Mehl und Feuerlöschschaum überzogen hatte, um mitten in Berlin eine echte Schweizer Landschaft zu schaffen.

Blick in die Ausstellung "Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie". Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Blick in die Ausstellung „Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie“. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff

Modell-Naturen in der zeitgenössischen Fotografie
mit Oliver Boberg, Sonja Braas, Julian Charrière, Shirley Wegner, Thomas Wrede
Kuratorin: Dr. Marie Christine Jádi
bis 26. April 2020
Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststraße 75, 10117 Berlin
Di-So 11-18 Uhr
Eintritt frei

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