Wohin die Reise auch geht: Harald Hauswald ist ein Fotograf, der sein Handwerk versteht
Wohin die Reise auch geht: Harald Hauswald ist ein Fotograf, der sein Handwerk versteht

Wohin die Reise auch geht: Harald Hauswald ist ein Fotograf, der sein Handwerk versteht

Hauswald im Ausland heißt die Ausstellung in der Fotogalerie Friedrichshain, wo aus Anlass des 65. Geburtstags des Künstlers seine unbekannten Reisebilder aus den Jahren 1979-2019 gezeigt werden.

Harald Hauswald: Seine Bilder des DDR-Alltags sind Ikonen geworden. Der am 3. Mai 1954 im sächsischen Radebeul Geborene zog 1977 nach Ostberlin, wo er sich mit verschiedenen Jobs über Wasser hielt, um seiner Leidenschaft – der Fotografie – nachgehen zu können. Er war Heizer, Telegrammbote, Laborant, seit 1981 arbeitete er als Fotograf für die evangelische Stephanus Stiftung in Berlin-Weißensee. Bei seinen Streifzügen durch Stadt und Land hielt er mit der Kamera den unaufhaltsamen Niedergang der DDR fest: verfallene Straßen, Häuser und Hinterhöfe, Schlangen vor den Geschäften, müde und resignierte Menschen in der U-Bahn, Aufmärsche, aber auch Rockkonzerte und Angehörige der Jugendsubkulturen, darunter Punks, die mit ihrer »dekadenten« Haltung und ihrem Aussehen die Staatsmacht bewusst provozierten und die, trotz Schikanen, seit Anfang der 1980er Jahren sich immer bemerkbarer machten . Seine oft skurrilen Bilder, die die Kluft zwischen der Propaganda der SED und der Wirklichkeit offenbarten, durften nicht gedruckt werden. Der Fotograf wurde von der Stasi observiert, was seine aus über 1500 Seiten bestehende Akte mit dem Decknamen Radfahrer belegt. Seit 1981 hatte Hauswald Reiseverbot, auch in die sozialistischen Länder. Nach dem Fall der Mauer wurde er als Chronist der Endzeit der DDR international bekannt. Sein riesiges, aus über 230 000 Einzelbildern bestehendes Archiv wird seit zwei Jahren aufgearbeitet und digitalisiert.

Harald Hauswald, Fotogalerie Friedrichshain, 10. Mai 2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Harald Hauswald in der Fotogalerie Friedrichshain am 10. Mai 2019. Foto © Urszula Usakowska-Wolff

Hauswald im Ausland

Kurz vor dem Mauerfall bekam Harald Hauswald die Erlaubnis, seine Familie in der Bundesrepublik zu besuchen. Er brach aber nach West-Berlin auf, besorgte sich einen bundesdeutschen Pass und flog in die Türkei. Unbekannte Bilder, die er auf seinen Reisen in Polen, der Sowjetunion, ČSSR, Ungarn, Rumänien, Litauen, China, Spanien, Italien, der Schweiz und den USA seit 1979 machte, können jetzt in der Fotogalerie Friedrichshain besichtigt werden: eine Premiere, denn Hauswalds Reisefotografien sind in diesem Umfang bisher noch nie ausgestellt worden. 57 Bilder, die meisten davon schwarzweiß, zeigen Straßenszenen und Menschen fernab der herkömmlichen Routen, auch wenn sie an Orten aufgenommen wurden, die als touristische Highlights gelten. Seine Aufmerksamkeit widmet der Fotograf mit wachem Auge, sicherer Hand und offenem Herz jenen, die nicht wahrgenommen oder übersehen werden, weil sie unscheinbar, von Alter, Krankheit oder schweren Arbeit gezeichnet sind und ihr Leben im Verborgenen fristen. Er hat auch ein Gespür für die Skurrilität der Bewohner dieser Welt: Da fährt zum Beispiel eine ausgelassene Familie mit einer Kutsche (Riesengebirge, 1995) auf einem steilen Waldweg – und ein kleiner Hund, der auf dem Rücken des Pferdes steht, dreht den Hals und guckt ihr skeptisch zu. Auf einem anderen, ebenfalls aus dem Jahre 1995 stammenden Bild ist ein Kutschpferd in der Warschauer Altstadt zu sehen, dem vor die Kruppe ein Eimer umgehängt wurde, damit er darin urinieren kann: Das arme Tier, zusätzlich noch mit der mobilen Toilette belastet. Es gibt auch Fotografien, die von einer großen Ruhe und Eintracht künden: Auf dem Bild Riesengebirge 1979 begleitet ein Schäfer mit seinen beiden Hunden ihre in einer sanften Landschaft weidende Schafsherde, die eine Muttergottesfigur umringt, auf deren Kopf ein »echter« Vogel thront.

Harald Hauswald, Rumänien, An der-Fähre, 1992, und Warschau, Polen, 1995.© Urszula Usakowska-Wolff
Harald Hauswald, Rumänien, An der-Fähre, 1992, und Warschau, Polen, 1995.© Urszula Usakowska-Wolff

Zeitloses Werk

Hauswald im Ausland ist eine Ausstellung, die zwar unbekannte Bilder des Berliner Fotografen zeigt, doch zugleich den Beweis dafür liefert, dass er gestern wie heute den richtigen Augenblick verweilen lässt, wodurch er ein zeitloses Werk schafft: mal ergreifend, mal zum Schmunzeln, aber immer voll Mitgefühl und Verständnis für das Leben, wie es wirklich ist.

Text & Fotos © Urszula Usakowska-Wolff

Hauswald im Ausland
1979-2019
10. Mai bis 28. Juni 2019
Fotogalerie Friedrichshain >>>

Helsingforser Platz 1, 10243 Berlin
Di, Mi, Fr, Sa 14-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

Eintritt frei

Hier geht es zur Besprechung der Ausstellung „Hauswald im Ausland“ auf art-in-berlin.de >>>