Es brauchte wohl wenigstens zwei Takte des Glissandos am Beginn der Premiere von Benjamin Brittens »A Midsummer Night’s Dream« in der Deutschen Oper Berlin, bis etliche Zuschauer ihre Privatgespräche einstellten und der Musik somit Geltung verschafften. Dann hob sich der Vorhang für ein ganz und gar graues Bild einer leeren Bühne. Die Elfen des Kinderchors waren alle in gleiche graue Kleidung gesteckt, und auch Oberon und Tytania trugen ein altfränkisches Gewand ganz in Grau. Nur ein Kind war in einen knallblauen Anzug gekleidet. Um diesen »boy« stritten Oberon und Tytania. Von oben schwebte Puck in die Szene, bestach durch akrobatische Übungen.
Der Auftritt der unglücklichen Paare Lysander und Hermia und Demetrius und Helena in farbiger Kluft machte die Kleiderordnung deutlich: Menschen sind bunt, Elfen sind grau. Inmitten der verwickelten Liebesbeziehungen erschienen nun sechs Handwerker (im alten Athen nannte man sie Banausen), die ein Theaterstück planen, das zur Hochzeit von Theseus und Hippolyta aufgeführt werden soll. Puck richtete mit dem fehlerhaften Gebrauch eines Zaubermittels Verwirrungen in den Liebesbeziehungen an und verpasste dem Handwerker Bottom einen Eselskopf.
Schließlich wurde das Beziehungschaos aufgelöst und alle Paare fanden glücklich zueinander. Am Hofe des Theseus führten die Handwerker das Schauspiel »Pyramus und Thisbe« auf, und die Hofgesellschaft zog sich in die Schlafgemächer zurück. Das letzte Wort hatte Puck: »So good night unto you all. Give me your hands, if we be friends.« Dieser Wunsch Pucks ging in Erfüllung. Das Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem Beifall.
Immerwährende Nebelschwaden
Donald Runnicles hat das Orchester souverän geführt, sowohl die seidigen Violinenpartien ebenso sicher wie die burlesken Partien des Handwerkertheaters, bei denen Britten wohl an Szenen der italienischen Oper dachte. Alle Sänger wurden vom Orchester einfühlsam unterstützt.
Allein James Hall als Oberon und Siobhan Stagg als Tytania stachen mit ihren Partien gesanglich hervor. Die übrigen Sänger lieferten braven Gesang, zu dem geschwiegen genug des Lobes ist. Aus ihnen hob sich James Platt als Bottom hervor, vor allem wegen seiner Lautstärke. Der Puck Jami Reid-Quarrels in der Choreographie von Ran Arthur Braun war eine gelungene Besetzung.
Das fast leere Bühnenbild – nur eine Leiter ins Nichts, zwei rote Wolken, ein herbeigetragener Mond und immerwährende Nebelschwaden – könnte den Sängern Raum geben für eine angemessene schauspielerische Leistung, doch Ted Huffman hält sie an der kurzen Leine. Auch die Puppen für Pyramis und Thisbe sind eine Absage an das Spiel. Wenn bei der Hochzeitsfeier Theseus sich als Trunkenbold bis hin zum Zusammenbruch spielen darf, ist das nur eine Persiflage auf das Schauspiel in der Oper.
»A Midsummer Night’s Dream« ist keine traumhafte Inszenierung. Man sucht darin die Träume vergeblich, aber man wird angeregt, die eigenen Träume aus dem Bühnengeschehen zu finden. Und das ist dann auch den Besuch der Deutschen Oper wert.
Text © Manfred Wolff
Fotos © Urszula Usakowska-Wolff
A Midsummer Night’s Dream
Benjamin Britten (1913-1976)
Oper in drei Akten
Libretto von Benjamin Britten und Peter Pears
nach William Shakespeares gleichnamiger Komödie
Uraufführung am 11. Juni 1960 beim Festival in Aldeburgh
Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 26. Januar 2020
In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Weitere Aufführungen am 29. Januar, 01., 06. und 22. Februar 2020
Deutsche Oper Berlin
Bismarckstraße 35, 10627 Berlin-Charlottenburg