Am Abend des 13. Januar 2011 befand sich die Akademie der Künste am Pariser Platz 4 in einem Belagerungszustand: Hunderte Vernissage-Gäste drängten sich im Foyer und nahmen lange Wartezeiten in Kauf, um die von Klaus Steck und Kirsten Klöckner kuratierte Ausstellung »Sigmar Polke. Eine Hommage« zu sehen.
Von Urszula Usakowska-Wolff
Druckgrafiken aus über 90 Editionen, die Polke von Staeck drucken und vertreiben ließ, Fotos, Bücher, Briefe und Faxe sind die Bilanz der über 40-jährigen Freundschaft zwischen dem Künstler, der als Erfinder des »Kapitalistischen Realismus« in die Kunstgeschichte einging, und seinem Verleger, dem gelernten Juristen Klaus Staeck, der dafür sorgte, dass die Druckgrafiken und Auflageobjekte des Mannes, der die Öffentlichkeit mied und trotzdem rasch zum Star des internationalen Kunstmarkts avancierte, eine breite Öffentlichkeit fanden. Neben den Exponaten aus dem Archiv der Edition Staeck, die in diesem Umfang zum ersten Mal präsentiert werden, ist diese Ausstellung, die nach dem Tod des Künstlers am 6. Juni 2010 als dessen posthume Ehrung geplant wurde und in einem knappen Dreivierteljahr tatsächlich zustande gekommen ist, ein großes und beeindruckendes Gemeinschaftswerk, an dem sich viele seiner Weggefährten beteiligten. Zu ihnen zählen unter anderem sein langjähriger Galerist Erhard Klein aus Bad Münstereifel, Dietmar Rübel, Professor an der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden und einer der Ausstellungskuratoren von »Wir Kleinbürger – Zeitgenossen und Zeitgenossinnen« in der Hamburger Kunsthalle, wo 2009 Polkes zehnteilige Bilderserie aus seinen wilden 1970er Jahren zum ersten Mal öffentlich besichtigt werden konnte. Dass sie nun auch das Publikum in der Bundeshauptstadt erfreut, ist der Stiftung Michael & Susanne Liebelt aus Hamburg zu verdanken, in deren Sammlung sich diese Rarität befindet. Wie man sieht und hört besteht die »Hommage an Sigmar Polke« in Berlin aus lauter Premieren.
Ein Schuldenberg und seine Folgen
In seinem Mitte der 1960er Jahre in Heidelberg gegründeten Verlag, der heute Edition Staeck heißt, produzierte der politisch engagierte Grafiker, Plakat- und Objektkünstler (und seit 2006 Präsident der Akademie der Künste) von Anfang an Druckgrafiken und Multiples von Persönlichkeiten, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts haben sollten: Joseph Beuys, Panamarenko, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Nam June Paik und Wolf Vostell, um nur einige bekannte Namen zu nennen. Klaus Staeck lernte Sigmar Polke 1969 persönlich kennen. »Zusammen mit Freunden hatte ich damals in Heidelberg das große Kunstfestival ‚Intermedia 69‘ organisiert«, erinnert er sich. »Damals führte Christo seine erste Verhüllungsaktion durch und verpackte das Amerika-Haus. Doch weil damals viele Leute Kreativität mit Zerstörung verwechselten, sind riesige Schäden entstanden, für die ich aufkommen musste. In meiner Not wandte ich mich an viele Künstler und bat sie, mir eine ihrer Arbeiten zu überlassen, damit ich meinen Schuldenberg bezahlen konnte. Polke bot mir die Skizze seiner berühmten ‚Kartoffelmaschine‘ an, die er ‚Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann‘ nannte. Dieses klassische Dada-Objekt baute dann tatsächlich einer meiner Bekannten und wir produzierten es in einer dreißiger Auflage – mit dem Stückpreis von 290 DM. Sie fanden damals so gut wie keine Abnehmer.«
Die Leiden eines Verlegers
Der »Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann«, von dem neuerlich ein Exemplar für 200.000 Euro versteigert wurde, das Klaus Staeck leider nicht gehörte, ist eine der Sehenswürdigkeiten der Ausstellung in der Akademie der Künste, die einen Blick hinter die Kulissen einer nicht immer einfachen Künstlerfreundschaft ermöglicht. In Polke fand Staeck nämlich einen Partner, mit dem ihn vieles verband: vor allem »das wunderbare Band der Ironie«, die gemeinsame Herkunft aus dem Osten und aus einem kleinbürgerlichen Milieu, das politische Interesse, die Kritik an der bundesdeutschen Politik, am Spießertum und dem Konsumverhalten der Gesellschaft. Für diese persönliche und intime Ausstellung, die in den drei geräumigen Sälen im Untergeschoss des Hauses am Pariser Platz 4 gezeigt wird, hat Klaus Staeck aus seinem »unerschöpflichen Archiv geschöpft«, um seine lange Zusammenarbeit mit dem »dezidiert politischen Künstler und Chronisten der Bundesrepublik« zu dokumentieren. Der heutige Akademiepräsident hat nicht nur Briefe von und an Polke, sondern auch Rechnungen für gemeinsame Restaurantbesuche aufgehoben, denn »man kann sich den Sammler auch als Kranken vorstellen.« Irgendwann begann er auch Faxe zu sammeln, die er an seinen Freund schickte, um einen Termin zu vereinbaren: »Der Anlauf war sehr lang, doch wenn es dann zu einem Treffen kam, war es immer wieder ein kleines Fest mit bewegten Gesprächen über politische Themen.« Über hundert dieser gefaxten »dringenden Hilferufe« hängen nun in der Akademie und zeugen von den Leiden eines Verlegers, dessen Geduld auch unerschöpflich sein musste, denn ohne die Signatur des Künstlers konnte er dessen Editionen nicht vertreiben. Man sollte sich viel Zeit lassen, um diese Korrespondenz zu lesen, auf die Polke nur dreimal antwortete. Sie beweist, dass Karl Valentins Worte »Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit« an Aktualität nichts verloren haben.
Text & Foto © Urszula Usakowska-Wolff
Erschienen im strassen|feger 3, Januar / Februar 2011
Sigmar Polke – Eine Hommage
Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck
14.01.-13.03.2011
Akademie der Künste
Pariser Platz 4
10117 Berlin
Di-So 11-20 Uhr
Eintritt 6/4 Euro
bis 18 Jahre und am 1. Sonntag im Monat Eintritt frei.